Jeder kann… berufstätig sein und Kinder erziehen

 

Im Mai feiern wir alljährlich zwei besonders wichtige Menschen – Mama und Papa! Und sie haben es verdient, denn die Herausforderung, Elternsein und Arbeitswelt miteinander zu vereinbaren, ist nicht immer leicht. Aber wie können Mütter und Väter lernen, ihren verschiedenen Rollen im Beruf und in der Familie gerecht zu werden?

 

Jeder Vater kann…

berufstätig sein und Kinder erziehen? Aber klar. Das war immer so, das wurde noch nie in Frage gestellt. Ein berufstätiger Vater erntet in der Regel Respekt und Anerkennung für seine Kinderschar. Ich kenne keinen Mann, der bei seiner Einstellung gefragt wurde, ob bei ihm ein Kinderwunsch besteht und dem durch eine positive Antwort Nachteile entstanden sind. Wenn er sich wirklich um seine Kinder kümmern will, sieht es schon anders aus: Väter, die früher Schluss machen, um ihre Kinder aus der KITA zu holen oder die sich frei nehmen, um ihre kranken Kinder zu versorgen, sind selten.

Jede Mutter kann…

berufstätig sein und Kinder erziehen? Ja, doch, irgendwie schon. Vielleicht ein Kind. Vielleicht mit einem 450-€-Job. Vielleicht halbtags. Aber mehrere Kinder? Vollzeitjob? Karriere? Oder womöglich alles gleichzeitig? „Warum kriegt sie denn dann Kinder, wenn sie sie schon so früh bei einer Tagesmutter abgibt?“ Kaum zu glauben, aber solche Sprüche sind immer noch verbreitet. Und sie färben auf die berufstätigen Mütter ab, vor allem, wenn ihre Kinder noch klein sind. Fast alle plagen sich mit ihrem schlechten Gewissen, wenn sie ihre Kinder stundenweise in die Kita oder zur Tagesmutter geben.

Kind & Karriere: Ein Ding der Unmöglichkeit?

Das ist sehr ungerecht. Frauen sind genauso gut ausgebildet wie Männer, aufgrund ihrer besseren Schulabschlüsse bekommen sie sogar oft die interessanteren Studien- oder Ausbildungsplätze. Sie wollen in dem Beruf, den Sie mit viel Engagement erlernt haben, auch arbeiten. Sie wollen ihr eigenes Geld verdienen. Sie müssen es auch, denn im Fall einer Trennung sind sie für ihren Unterhalt und ihre Altersversorgung selbst zuständig. Berufstätig sein und Kinder erziehen sollte nicht „irgendwie“ gehen, sondern selbstverständlich sein.

Gleiche Situation, viele Lösungen

Das Modell „Papa arbeitet und Mama bleibt zu Hause bei den Kindern“ funktioniert heute nur noch sehr selten und entspricht auch nicht mehr der Wunschvorstellung heutiger Familien. Kreative Lösungen sind gefragt und können ganz unterschiedlich aussehen.

 

  • Anne, 38, bspw. ist allein erziehende Mutter von zwei Söhnen. Sie arbeitet halbtags als Ärztin im Krankenhaus und macht zusätzlich Nacht- und Sonderdienste. Sie verdient zwar recht gut, muss aber auch am Wochenende oft arbeiten. Da ist die Kinderbetreuung allein nicht zu schaffen. Jahrelang hatte sie Aupair-Mädchen eingestellt. Jetzt hat sie eine ältere Dame gefunden, die die Kinderbetreuung übernimmt und bei Bedarf auch bei den Kindern übernachtet.
  • Stefanie, 31, ist Rechtsanwältin. Ihre Tochter Marie ist sechs Monate alt. Stefanie hat ihre Elternzeit beendet und arbeitet wieder in ihrem Beruf, die Stundenzahl konnte sie auf 30 reduzieren während ihr Mann weiterhin Vollzeit arbeitet. Marie wird bei einer Tagesmutter zusammen mit drei anderen Kleinkindern betreut. Stefanie und ihr Mann sind mit diesem doch eher klassischen Modell sehr zufrieden.
  • Ronja ist erst 20. Sie und ihr gleichaltriger Freund, der als Handwerker arbeitet, sind sehr glücklich mit ihrem kleinen 12 Monate alten Paolo. Ronja will jetzt ihre Ausbildung zur Friseurin beenden. Das dauert noch ein Jahr. Während dieser Zeit wird Paolo von seiner jungen Oma, die selbst noch eine dreijährige Tochter hat, zur Kita gebracht, abgeholt und anschliessend zu Hause betreut, bis Mama wiederkommt.
  • Philipp und Katrin haben zwei Mädchen, eins in der Schule, eins im Kindergarten. Philipp arbeitet halbtags im Büro, Katrin als Lehrerin Vollzeit. So klappt es gut mit der Betreuung.

Von den Franzosen lernen

Eine Lösung zu finden, ist die eine Sache. Sich dabei wohl zu fühlen und kein schlechtes Gewissen zu haben, ist aber mindestens genauso wichtig. Frankreich steht mit 2,0 Kindern europaweit an der Spitze. Es scheint für Franzosen insgesamt selbstverständlich zu sein, Kinder zu haben. Dies mag zum einen an der Unterstützung vom Staat, aber natürlich auch an einem kulturellen Grundverständnis dafür liegen, dass Eltern sein nicht mit „Selbstaufgabe“ gleichzustellen ist.

 

Wenn eine Frau in Frankreich schwanger wird, wird ihr Chef oder ihre Chefin ihr herzlich gratulieren. Sehr wahrscheinlich wird sie einige Wochen nach der Geburt ihren Arbeitsplatz wieder einnehmen, denn eine Kinderbetreuung vom Säuglingsalter an hat in Frankreich Tradition.

 

All dies führt auch dazu, dass das Phänomen der „Hubschrauber-Eltern“, die ihr Leben komplett umkrempeln und nur noch um ihr Kind kreisen, in Frankreich sehr selten ist. Eigene Bedürfnisse zu haben und wichtig zu nehmen, auch wenn Kinder da sind, ist vollkommen normal. Daher klappt es wahrscheinlich auch mit zwei oder mehr Kindern.

 

Wenn die eigenen Bedürfnisse wichtig bleiben, hat das Auswirkungen auf die Erziehung. Beim Arzt im Wartezimmer, bei einem mehrstündigen gemeinsamen Essen, beim Einkaufen, in einer Kindergruppe: Immer wieder ist zu beobachten, wie gut sich französische Kinder benehmen können, wie friedlich sie sich allein oder miteinander beschäftigen und wie entspannt ihre Eltern mit ihnen umgehen. Es wird den Kindern viel gegeben, aber es wird auch etwas von ihnen gefordert.

 

Wer gar keine Kinder bekommt, hat auch keine Rollenkonflikte. Diese „Lösung“ ist hierzulande sehr verbreitet. Sie hat aber einen grossen Nachteil. Man verpasst eines der besten Dinge, die einem im Leben passieren können

 

Erzählen Sie uns von Ihren Erfahrungen. Wie haben Sie in Ihre Familie die Betreuungsfrage gelöst? Und wie funktioniert Ihr Modell? Ich freue mich auf Ihre Kommentare!

 

Über-Anette_1



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