Reggio-Pädagogik für zu Hause

 

Montessori, Waldorf, Waldpädagogik, Situationsansatz, Spielgaben von Fröbel, musikalische Frühförderung und, und, und… Egal, ob als Elternteil, Pädagoge oder einfach nur als Interessierter (schliesslich sind Kinder unsere Zukunft): Wer wissen möchte, wie die Jüngsten der Gesellschaft heute leben und aufwachsen, begegnet einer Reihe von Ansätzen und Sichtweisen. Schon lange nicht mehr nur in verschiedenen kinderbetreuenden Einrichtungen.

 

 

 

Attachment Parenting“ als familiäres Erziehungskonzept bringt die Ergebnisse der Wissenschaft in deutsche Haushalte. Die Forschung, die sich der frühen Kindheit widmet, nahm in den 50igern des letzten Jahrhunderts an Fahrt auf und ihre Erkenntnisse sind zu unserem Zeitgeist geworden.

Dank der Bindungstheorie wird die fundamentale Bedeutung der Verbindung zwischen Eltern und Kindern heute kaum noch angezweifelt. Und Eltern denken immer mehr und bewusster über ihren Weg der Erziehung nach. Ich auch.

Wie kann man Kinder auf dem Weg des Erwachsenwerdens unterstützen?

Ich bin Mutter von zwei Kindern (4 und 1,5 Jahre), arbeite als Erzieherin und bin eine Fachkraft für Reggio-Pädagogik. Ähnlich wie die Menschen in der norditalienischen Stadt Reggio Emilia damals, frage auch ich mich: Wie kann ich Kinder begleiten und sie auf ihrem Weg des Erwachsenwerdens unterstützen? Im familiären Rahmen erweitere ich das nun und frage mich: Welche Impulse kann ich übernehmen? Was kann ich lernen? Was für mich und den Alltag nutzen?
Die Forschung hat festgestellt, dass in den ersten Lebensjahren wahnsinnig viel an Entwicklung und Fortschritt passiert. Schauen wir einmal ins Familienalbum, können wir das ohne Probleme auch feststellen. Wir haben es sogar dokumentiert. Von Beginn an – bereits in der Schwangerschaft – werden alle möglichen Werte erfasst. Es gibt Tabellen, Messlatten bis hin zu Newslettern über zu erreichende Meilensteine und ihre Zeitfenster. Doch können wir uns kaum über das Wunder, welches unser Körper und unsere Kinder vollbringen, freuen. Wir können nicht im Moment verharren, weil wir auf den weiteren Fortschritt schielen.

Doch wir sollten mehr wertschätzen.

Der Kern der Reggio-Philosophie ist die Anerkennung des Kindes als Wunder. In jedem Kind (und ich meine wirklich in jedem) steckt eine Menge an Potenzial. 100 Sprachen – also 100 Möglichkeiten, Talente, Begabungen – trägt ein Kind in sich, sagte Loris Malaguzzi, ein bedeutender Gestalter der Reggio-Pädagogik. 99 werden ihm davon genommen.

Weil wir Erwachsene, andere Wege gehen wollen. Weil wir die Kinder fördern und fordern. Weil wir es eilig haben, weil das Kind nicht schmutzig werden soll und die Pfütze, Pfütze sein lassen soll… Doch jedes Kind will gesehen werden. Es will gehört werden. Es will angeregt, begleitet und geschätzt werden.

Das ist manchmal ganz schön anstrengend. Wir dürfen und sollten uns und unsere Leistung genauso wertschätzen.

Eine Pädagogik des Optimismus!

Ich schreibe hier von einer Pädagogik des Optimismus, der Ganzheitlichkeit und Achtsamkeit. Das heisst nicht, dass alles „Friede, Freude, Eierkuchen“ ist. Was uns als Erwachsenen hilft, ist, das Können in Szene zu setzen. Wenn wir uns nicht daran klammern, was unser Kind noch nicht kann, wo es stört oder Grenzen überschreitet, dann können wir gelassener sein. Wir können die Grosseltern anrufen und via Lautsprecher von Erfolgen berichten. Wir können im Kindergarten von Handlungen und Fähigkeiten erzählen. Wir können ein Bild rahmen oder es an den Kühlschrank kleben. Wir können miteinander reden, fragen „Was denkst du?“ statt Antworten vorzugeben, Fotos machen und das miteinander teilen.

So profan es klingt: Kleine Gesten können Grosses bewegen.

Es stärkt das Selbstvertrauen. Ist das nicht viel besser als ständig Misserfolge oder Unfähigkeiten anzuprangern? Als viel zitierter Ausspruch verbirgt sich dahinter ein Gedanke, den wir zu Hause wunderbar nutzen können.

Wer Kinder als Forscher, Entdecker und einfach Könner sieht, vertraut auf ihre Selbstwirksamkeit und den inneren Wunsch, sich weiterzuentwickeln. Jedes Kind ist damit sein eigener erster Erzieher. Dazu kommt, dass Kinder mit und von anderen Kindern und von uns Erwachsenen lernen – von Menschen eben, den zweiten Erziehern. Dann kommen wir an den Punkt, dass wir nicht in einer Blase leben. Die Umgebung, der Wohnraum und unser nahes Umfeld als Lernort zu begreifen, bedeutet, dass wir auch verstehen können, dass wir ihn gestalten können und müssen. Unsere Wohnung, der Garten, die Strasse, der Ort, an dem wir leben, beeinflusst uns und wir ihn.

Wenn wir als Eltern „Sachen zum Spielen“ (zum Beispiel ungebrauchte oder alte Alltagsgegenstände wie Telefone oder Kochgeschirr) anbieten, müssen wir uns vielleicht weniger Sorgen um unsere „Schätze“ machen. Wenn wir einen Spiegel nutzen, auf ihm oder vor ihm einen Turm (aus was auch immer) bauen, staunen und  probieren unsere Kinder. Und wir können unter die Dusche springen. Kleine Anreize, die wir wie zufällig erschaffen (das am Abend auf den Tisch gestellte gestapelte Frühstücksgeschirr), stellen eine Einladung und gleichzeitig Beschäftigung für unsere Kinder dar.

Lernen ist ganzheitlich und passiert im Miteinander.

Das ist noch nicht alles, aber ein Anfang!

Auf unser Bauchgefühl wollen wir hören. Für unsere Kinder nur das Beste geben. Alles richtig machen. Wir wollen, dass sich unsere Kinder optimal entwickeln können, dass sie glücklich aufwachsen und wir gute Eltern sind.

Da es kein einheitliches Patenrezept gibt, handeln wir in der Regel nach bestem Wissen und Gewissen.

Dabei werden wir mit ungefragten Meinungen von allen Seiten, gut gemeinten Ratschlägen mit Vorliebe an unmöglichen Orten wie dem Supermarkt und Besserwisserei von Fremden konfrontiert. Das kann bisweilen ganz schön verunsichern. Ich finde es in diesem Spannungsfeld praktisch, auf eine etablierte Erziehungsphilosophie zurückgreifen zu können.

Ich kann Loris Malaguzzi zitieren und sagen: „Das Kind ist ein Forscher. Es stellt sich Problemen und löst sie. Es ist fähig, selbst zu lernen.“

Ich im Übrigen auch.





Kommentare
  1. Reggio-Pädagogik für zu Hause
    Catia Nanny | Mittwoch,Juni 29.2016

    Liebe Frau Anne-Christin, ich bin ausserordentlich froh und stolz aus Ihren Zeilen zu erfahren, dass meineüber 20 Jahre Erfahrung im Kleinkinderbetreuung, vom Geburt bis 3-4 Jahre alt, den Inhalt Ihrer Aussagevöllig entspricht. Die reiche Kompetenzen die ich in mehreren Familien mit Erfolg anerkannt habe bestätigen dieses Verhalten.Mein Ziel ist stets die Aufmerksamkeit auf die geeignete positive Entwicklug des Charakters und der Personim engen Mitarbeiten mit den Eltern. Ich danke Ihnen für Ihren Beitrag und grüsse Sie freundlichCatia die Nanny

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