Ganz gleich, ob Sie eine passionierte Karrierefrau sind oder ob Ihre Berufstätigkeit „nur“ dem schnöden Broterwerb dient, wahrscheinlich kennen Sie wie die meisten arbeitenden Mütter das Gefühl: Ein harmloser Kommentar – von einem Freund, Mitarbeiter oder einen Lehrer – scheint aus heiterem Himmel Ihren Erziehungsstil in Frage zu stellen.
Wir haben uns umgehört und berufstätige Mütter gefragt, welche Fragen sie regelmässig aus der Fassung bringen. Hier sind die Top-Antworten, zusammen mit Vorschlägen von work-life Coach Dagmar Terbeznik, wie Sie gelassen aber bestimmt darauf reagieren können.
Gleichzeitig kann es Sinn machen, mal genauer in sich hinein zu horchen. Denn wenn Sie sich regelmässig durch vergleichsweise harmlose Bemerkungen angegriffen fühlen, sagt das eventuell auch etwas über Ihre Zufriedenheit mit Ihrem eigenen Lebensentwurf aus. Dann kann es ratsam sein, Ihr gewähltes Modell einmal auf den Prüfstand zu stellen.
1. „Ist es nicht schwer, den ganzen Tag von seinen Kindern getrennt zu sein?“
Sie würden gerne sagen: „Nein, ich kann morgens nicht schnell genug das Haus verlassen. Natürlich ist es manchmal schwer. Danke, dass du mich daran erinnerst.“
Tipps vom Coach: Wenn Sie das gerne sagen würden, sollten Sie über Ihr Modell noch einmal nachdenken. Woran werden Sie denn erinnert? Vielleicht trifft das doch einen „ich bin eine schlechte Mutter“-Nerv? Es ist immer gut zu hinterfragen, ob Sie aus echter Überzeugung und ihren persönlichen Werten folgend ihre Berufstätigkeit und Mutterrolle gestalten oder einem Ideal hinterherhecheln, das Ihnen nicht entspricht. Jede Mutter muss da ihren eigenen Weg finden. Tauschen Sie sich darüber ehrlich aus, dass kann für beide Seiten bereichernd sein, wenn jede der anderen ihren Standpunkt lässt. Sie könnten sagen: „Für mich ist es gut, weil ich meinen Job sehr gerne mache und meine Kinder in guten Händen weiss. Für andere Mütter kann etwas anderes richtig sein. Wie ist es für Dich?“
2. „Ich könnte meine Kinder nicht von jemandem Fremden betreuen/erziehen lassen.“
Sie würden gerne sagen: „Ich erziehe meine Kinder sehr wohl, du §$%&“. (Sie mögen geneigt sein, Ihr Gegenüber darauf hinzuweisen, dass Sie nicht einfach eine beliebige Person von der Strasse ausgesucht haben, um Ihr Kind zu betreuen und dass weder die Tagesmutter noch die Erzieher in der Kita für Ihr Kind „Fremde“ sind.)
Tipps vom Coach: Interessant ist, dass es sich hierbei um eine Aussage über Ihren Gesprächspartner bzw. Ihre Gesprächspartnerin handelt. Es ist eine „Ich“-Aussage. Sie könnten also etwas sagen wie: „Wir haben echt Glück: Wir haben einen ganz tollen Kindergarten und unsere Kinderfrau gehört quasi zur Familie.“ Wenn Sie sich allerdings persönlich angegriffen fühlen und sich für Ihr Modell rechtfertigen wollen, dann ist es ein guter Anlass, das eigene Standing und die persönliche Entscheidung zu hinterfragen.
3. „Es muss toll sein, mal rauszukommen.“
Sie würden gerne sagen: „Genau, mein Job fühlt sich jeden Tag an wie Urlaub und das Beste ist: Ich werde auch noch dafür bezahlt!”
Tipps vom Coach:Hören Sie eine Wertung Ihrer Person und Lebensgestaltung oder hören Sie eine vielleicht sogar etwas neidische Ich-Aussage Ihres Gegenübers? Zufriedenheit entsteht, wenn wir das geniessen und wertschätzen können, was gerade ist, daher könnten Sie antworten: „Ich versuche, das zu geniessen, was gerade dran ist: Die Arbeit, wenn ich arbeite und mein Familienleben, wenn die Familie dran ist. Manchmal brauche ich auch eine Pause von beidem und mach was Schönes für mich! Wenn Du Lust hast, könnten wir mal zusammen eine kleine Auszeit planen?“
4. „Du musst deinen Job wirklich lieben!.“
Sie würden gerne sagen: „Ja, das tue ich!“ (sofern Sie gerne eine berufstätige Mutter sind), ansonsten vielleicht: „Naja, natürlich habe ich gerne eine Dach über dem Kopf und Essen auf dem Tisch.“
Tipps vom Coach: Ja, idealerweise sollten wir das lieben, womit wir unsere Zeit zu einem grossen Teil verbringen. Zumindest sollte unsere Lebensführung unseren Werten entsprechen, was auch bedeuten kann, hauptsächlich fürs Geld zu arbeiten. Aber die Frage ist auch hier: Was hören Sie bei dieser Aussage? Und was könnte Ihr Gegenüber veranlassen, dies zu sagen? Fragen Sie nach und tauschen Sie sich aus. Das hilft unter Umständen beiden, die eigene Situation klarer zu sehen.
5. „Wenn du dich ein bisschen einschränken würdest, könntest du es dir leisten, bei deinen Kindern zu Hause bleiben.“
Sie würden gerne sagen: „Echt? Da hab’ ich noch nie drüber nachgedacht. Du hast recht. Ich kündige morgen!”
Tipps vom Coach: Auch hier höre ich die Überzeugung, dass eine gute Mutter bei ihren Kindern zu Hause bleibt. Es gibt aber nicht die eine perfekte Art, eine gute Mutter zu sein. Sie könnten antworten: „Die Finanzen müssen wir nicht diskutieren. Ich wäre einfach nicht ich, wenn ich nicht arbeiten würde. Davon hätten die Kinder nichts, ausser einer unzufriedenen Mutter.“
6. „Wie schaffst Du das nur?“
Sie würden gerne sagen: „Eigentlich hatte ich bislang einen ziemlich guten Tag, aber danke, dass du mich daran erinnerst, wie anstrengend mein Leben ist.“
Tipps vom Coach: Sie könnten sagen: „Danke für Deine Anerkennung. Ich entscheide mich für das, was mir wirklich wichtig ist und lasse Dinge, die mir nicht so wichtig sind. Alles perfekt zu machen geht nicht.“ Geben Sie ruhig zu, dass sie nicht jeden Kuchen selber backen, kranke Kinder auch mal bei Oma und Opa lassen und ihrem Team auch mal zutrauen, ein Business-Meeting ohne sie durchzustehen. Das schafft nämlich keiner und die Kunst ist, sich jeweils zu entscheiden.
7. „Du solltest unbedingt mal Zumba ausprobieren.“
Sie würden gerne sagen: „Klar, sehr gerne, in dem unwahrscheinlichen Fall, dass ich irgendwann mal eine Stunde dafür übrig haben sollte.“
Tipps vom Coach: Oha, wird da schon wieder ein schlechtes Gewissen angesprochen? Dieses Mal das „Sport-Gewissen“? MÜSSEN tun Sie auf jeden Fall gar nichts. Es ist Ihre Entscheidung, wie Sie Ihre Zeit verbringen. Sie könnten antworten: „Danke für den Tipp! Ich habe meine Prioritäten anders gesetzt.“ Oder „Ich persönlich favorisiere xy“.
8. „Du hast es gut: Du hast jetzt schon Feierabend.“ (wenn Sie in Teilzeit arbeiten)
Sie würden gerne sagen: „Feierabend? Während Ihr in 2 Stunden den Stift fallen lassen könnt und in Richtung Yoga, Kino oder Essengehen mit Freunden verschwindet, fängt es für mich jetzt erst richtig an: Zur Kita hetzen, Spielplatz oder Nachmittagsaktivität organisieren, Einkaufen MIT Kind, kochen, Verhandlungen über den TV-Konsum führen, Kind bettfertig machen, Geschichte vorlesen, und – last but not least –mein Kind zum Schlafen bringen. Glaubt mir, MEIN Feierabend liegt noch in ganz weiter Ferne. “
Tipps vom Coach: „Blöd, wenn Du gerade unzufrieden mit Deiner Arbeitszeit bist. Ich habe jetzt noch viel vor.“ Auch hier gilt: Wenn Sie Ihr Arbeitsmodell und vor allem auch die Familienarbeit anerkennen, können Sie ganz ruhig und souverän reagieren.
9. „Wir haben die Besprechung auf heute Nachmittag verschoben, das ist doch kein Problem, oder?“
Sie würden gerne sagen: „Nein, meinem Kind macht es nichts aus, noch eine Weile vor der Kita auf mich zu warten… Doch, natürlich ist das ein Problem, zumal meine Verfügbarkeit mittlerweile hinlänglich bekannt sein sollte. Es ist mir unangenehm, jedes Mal aufs Neue darauf hinzuweisen.“
Tipps vom Coach: In dieser Situation sollten Sie sich einige Fragen beantwortet haben, um angemessen reagieren zu können: Ist Ihre Anwesenheit dringend erforderlich? Aus welchem Grund wird, offensichtlich wiederholt, auf Ihre Verfügbarkeit keine Rücksicht genommen? Ist dies für Sie nachvollziehbar oder nicht? Können Sie für die Zukunft eine gute Vorgehensweise für vergleichbare Situationen vereinbaren?
Wenn so etwas wiederholt auftritt und keine für beide Seiten akzeptablen Lösungen gefunden werden, sollten Sie überlegen, ob ein anderer Arbeitgeber besser zu Ihnen passt. Oder die Gründe kennen, warum Sie bei diesem Arbeitgeber bleiben und ihren Frieden damit machen. Frei nach dem Motto: Love it, change it or leave it.
10. „Hast Du niemanden, der auf dein Kind aufpassen kann, wenn es krank ist?“
Sie würden gerne sagen: „Nein, wenn Kinder krank sind, brauchen Sie ihre Mutter.“
Tipps vom Coach: Es ist Ihre Entscheidung, von wem ihr krankes Kind versorgt wird, auch wenn es Grosseltern o. ä. in der Nähe gibt. Wenn Sie in dieser Entscheidung klar sind, können sie dies auch nachdrücklich bekräftigen: „Mein Kind ist krank und ich bleibe zu Hause.“
Zur Person Dagmar Terbeznik
Dagmar Terbeznik, Jg. 1972, ist Diplom-Kauffrau und zertifizierte Coach (DCV). 2007 gründete sie (work/life) coaching und beratung, nachdem sie über 15 Jahre in der Wirtschaft gearbeitet hat.
Sie biete Einzel-Coaching und Coaching-Seminare zu Themen wie Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Familienfreundliche Führung, Starke Frauen im Beruf und Doppelkarrierepaare an. Zielgruppe sind Unternehmenskunden, aber auch Privatpersonen.
Sie lebt mit Mann und vier Kindern in Berlin.