Erst der Job und dann das Kind?
Tatsächlich geben viele Eltern ihr Kind früh in eine externe Betreuung, um anschliessend in den Job zurückzukehren. Doch Belege, ob es einen Zusammenhang zwischen der niedrigen Geburtenrate und schwierigen Arbeitsbedingungen gibt, liegen nicht vor. „Tatsache ist aber, dass es sich kein Unternehmen mehr leisten kann, das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie auszuklammern. Gut ausgebildete Arbeitnehmer werden von den Unternehmen umworben und Kinder sind heutzutage kein Hindernis“, erklärt Barbara von Würzen, Project Manager der Bertelsmann-Stiftung.
Familienservices
Tatsächlich tut sich etwas in vielen Unternehmen. Doch wie erkennen Sie einen familienfreundlichen Arbeitgeber? Zum Beispiel daran, dass es mehr Angebote gibt als nur flexible Arbeitszeiten, Überstundenregelungen und ein Eltern-Kind-Büro. Dennoch zählt ein Unternehmen nicht nur auf Grund seiner vielfältig bereitgestellten Massnahmen als familienfreundlich, wie Frau von Würzen bestätigt. „Wichtig ist es vielmehr, dass die Angebote des Arbeitgebers den Mitarbeiterbedürfnissen entsprechen und eine offene Kommunikation und Unternehmenskultur herrscht.“
Auch Uwe Ottenbreit, Leiter des Firmenservice von Care.com Europe, unterstreicht diese Meinung: „Familienfreundliche Arbeitgeber zeichnen sich durch eine sehr präsente interne und externe Kommunikation aus. Die meisten Firmen nutzen die Angebote hauptsächlich zur Rekrutierung oder in zweiter Linie zur Personalbindung.“ Folgende Massnahmen nennt der Experte für mögliche Familienservices.
- Flexible Arbeitszeitmodelle
- Wiedereinstiegs-Programme werden angeboten: Mentoring, Buddy-System, Newsletter-Einbindung
- Willkommenskultur für frische Eltern
- Internetauftritt für Bewerber/-Innen
- Eigene Team Employer-Branding-Strategie
- Eltern-Kinder-Zimmer oder mobile Kinderbetreuung
- Kooperationen mit Kindergärten
- Interne oder externe Sozialberatungsstellen
- Eigenes Gesundheits- und Diversity-Management
- Home-Office-Regelung
- Sabbatical-Angebot
- Pflegeberatung und -vermittlung über externe Dienstleister
- Betriebliche Ferienbetreuung für schulpflichtige Kinder
Mehr als familienfreundliche Massnahmen
Darüber hinaus erklärt die Project Managerin der Bertelsmann-Stiftung, welche Massnahmen der internen Kommunikation wichtig sind. „Entsprechend der Mitarbeiterstruktur sind vor allem geschulte Ansprechpartner wichtig, die im Unternehmen schnell Informationen über mögliche Hilfsangebote geben oder diese sogar vermitteln können. Wichtig ist dies insbesondere bei Mitarbeitern, die plötzlich vor der Herausforderung stehen, Angehörige pflegen oder unterbringen zu müssen. Schnelle und unproblematische Vermittlung einer Tagespflege, bis weitere Entscheidungen getroffen werden können, sind eine gute Entlastung. Gut für junge Eltern sind Möglichkeiten zur Kinderbetreuung. Dies muss nicht über eine eigene Kita geschehen, sondern kann auch über Belegplätze in bestehenden Kitas erreicht werden, über die Vermittlung von Leih-Omas, Babysittern und Tagesmüttern.“
Natürlich kann nicht jedes Unternehmen jede Massnahme gezielt umsetzen. Es gibt häufig Unterschiede zwischen Grossunternehmen, kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Familienbetrieben. Dennoch sollte der Arbeitgeber „unter Berücksichtigung seiner individuellen Voraussetzungen“, ergänzt Frau von Würzen, einschätzen können, welche Massnahmen er umsetzen kann und welche notwendig sind.
Auch Uwe Ottenbreit weiss, dass etliche Unternehmen aufholen müssen, um sich auf dem Personalmarkt gut positionieren zu können: „Viele Firmen müssen ihre Hausaufgaben noch richtig machen, wenn sie langfristig die besten Mitarbeiter/-innen halten oder gewinnen möchten. Firmen müssen ein breites familienfreundliches Angebot bereitstellen, um möglichst viele Beschäftigte zu erreichen. Erst das Zusammenspiel schafft die familienfreundliche Kultur, die Arbeitnehmer langfristig an das Unternehmen bindet.“