Jeder kann… sein Kind auf Mobbing vorbereiten

Mobbing unter Kindern ist grausam – und nicht akzeptabel! Umso wichtiger ist es, dass Eltern und Betreuer ihre Verantwortung wahrnehmen und die betroffenen Kinder schützen. Auch, indem sie ihre Kinder im Gespräch für das Thema sensibilisieren.

 

 

Mobbing ist nichts Neues.

Ich erinnere mich an Maria. Maria war das kleinste und zierlichste Mädchen in unserer Klasse. Wir waren selber klein, sechs oder sieben Jahre alt, im ersten Schuljahr. Wir alle waren uns einig: Maria war „blöd“und „hässlich“. Wir erzählten uns gegenseitig: „Sie bohrt in der Nase“. „Sie kaut an den Fingernägeln“. „Sie hat heute schon wieder so ein hässliches Kleid an“. Niemand wollte mit ihr spielen. Niemand durfte mit ihr spielen. Sie konnte machen, was sie wollte – wir haben sie ausgelacht. Wenn sie geweint hat, war es erst recht der Beweis für uns, wie „blöd“ sie war.

 

Es gibt ein Klassenfoto, auf dem Maria zwischen uns sitzt mit einem unglaublich traurigen Gesichtsausdruck. Wenn ich es mir heute anschaue, gibt es mir einen Stich. Um Maria hat sich niemand gekümmert. Niemand hat uns Grenzen gesetzt. Die Lehrerin hat noch zusätzlich auf Maria herumgehackt. Ihre Eltern haben von alledem vielleicht gar nichts gewusst.

Das ist viele Jahre her. Was hat sich seitdem geändert?

Heute spricht man von „Mobbing“, wenn Kinder von Gleichaltrigen systematisch ausgegrenzt, ausgelacht, gehänselt, beleidigt oder körperlich verletzt werden. Die Hänseleien sind mittlerweile sprachlich weniger harmlos als in meinem Beispiel. Schon in der Grundschule kommen Beleidigungen mit sexualisierten Begriffen vor. Die gedemütigten Kinder werden zusätzlich als „Opfer“ beschimpft. Mobbing über das Internet ist dazu gekommen: Unter anderem bei WhatsApp werden Gruppen gegründet mit dem einzigen Ziel, jemanden fertig zu machen.

 

Das Ergebnis ist dasselbe wie früher. Die betroffenen Kinder nehmen Schaden an ihrer Seele – wenn niemand für sie da ist. Sie haben das Recht, von den Erwachsenen in ihrer Umgebung geschützt zu werden. Alle, die mit Kindern zu tun haben, Eltern, Betreuer, Lehrer und Erzieher, sind hier in der Verantwortung. Wir müssen es bemerken. Wir müssen den betroffenen Kindern helfen. Wir müssen dafür sorgen, dass es aufhört. Wir müssen den „Tätern“ klar machen, dass ihr Verhalten nicht akzeptabel ist und Konsequenzen hat. Hier regelt sich nichts von alleine. Wir Erwachsenen sind zuständig!

Wie bemerken wir es?

Leider sind die betroffenen Kinder oft so eingeschüchtert und verletzt oder schämen sich so sehr, dass sie nichts erzählen, selbst wenn sie ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Eltern haben. Dann ist es wichtig, auf indirekte Zeichen zu achten: Will Ihr Kind plötzlich nicht mehr in die Schule oder in den Kindergarten? Wirkt es bedrückt? Hat es Bauchschmerzen oder Schlafstörungen? Sind seine Sachen kaputt oder teilweise verschwunden? Hat es blaue Flecken oder Hautabschürfungen?

 

Wenn Ihnen Ihr Kind verändert vorkommt, lassen Sie nicht locker. Fragen sie nach. Versuchen Sie zu erfahren, wer wann was wo gemacht hat. Fragen Sie auch im Kindergarten oder in der Schule oder bei seinen Freunden nach. Sie müssen wissen, was los ist. Umgekehrt sollten auch die Eltern von der Erzieherin oder der Lehrerin oder der Tagesmutter angesprochen werden, wenn dort etwas auffällt. Der Informationsaustausch ist sehr wichtig.

Wie können wir helfen?

Als erstes braucht das betroffene Kind Hilfe, Trost und Unterstützung. Es braucht die Rückmeldung, dass ihm Unrecht widerfahren ist. Dass mit ihm selbst alles in Ordnung ist. Dass es ein Recht darauf hat, von den anderen fair behandelt zu werden. Dass Sie es lieb haben und an seiner Seite sind und es beschützen. Dass Sie dafür sorgen werden, dass es aufhört. Genau das müssen Sie tun, Schritt für Schritt. Auch hier geht ohne Informationsaustausch gar nichts. Der Kontakt zur Kita oder zur Schule, gegebenenfalls auch zu den Eltern der Verursacher, wird nötig sein.

 

Manchmal ist es auch möglich oder sinnvoll, selbst mit den „Tätern“ zu reden. Manchmal kann eine Mobbing-Situation sehr leicht beendet werden, manchmal müssen sich alle Betroffenen zusammensetzen und einen Weg finden. Manchmal scheitert es an der Zusammenarbeit mit Schule oder Kita. Dann kann es unabdingbar sein, die Schule oder die Tagesstätte zu wechseln. Es muss eine Lösung gefunden werden, bei der Ihr Kind geschützt ist. Vorher dürfen Sie nicht aufgeben. Es kann sein, dass Ihr Kind einen „Knacks“ bekommen hat und zusätzliche professionelle Hilfe braucht, um wieder Selbstvertrauen aufzubauen. Bleiben Sie wachsam.

Wie können wir „Täter“stoppen?

Kinder, die andere „mobben“, sind keine Ungeheuer. Es sind Kinder, die Grenzen austesten. Sie wollen sich gross und stark fühlen, dafür machen sie andere klein. Besonders in einer Gruppe mit einem dominanten Anführer kann jedes Kind zum „Täter“ werden, auch Ihr Kind. Schuldzuweisungen bringen gar nichts. Aber klare Grenzen sind unabdingbar. Die „Täter“ brauchen als erstes eine klare Ansage: „Dieses Verhalten wird nicht geduldet. Es ist nicht akzeptabel. Es muss sofort aufhören.“ Je nach Alter und Situation muss es auch klare und gravierende Konsequenzen geben, wenn es nicht sofort aufhört.

 

Als nächstes muss das Kind verstehen, warum sein Verhalten nicht in Ordnung ist. Es muss begreifen, dass es selbst auch nicht so behandelt werden möchte. Es muss lernen, dass es sich auf andere Art und Weise „gross’“ fühlen kann, ohne andere klein zu machen. Dafür sind viele Gespräche nötig. Auch Rollenspiele sind hilfreich. In Schulen werden zunehmend Experten engagiert, die mit den Kindern das Thema „Mobbing“ spielerisch erarbeiten. Das ist gut. Aber es nimmt uns, den erwachsenen Bezugspersonen, nicht die Verantwortung, die Schwachen zu schützen und die zu stoppen, die anderen Kindern Schaden zufügen.

 

Welche Erfahrungen haben Sie mit dem Thema Mobbing gemacht? Wie haben Sie reagiert, und was hat wirklich geholfen? Ich freue mich auf Ihre Kommentare…

 

Über-Anette_1

 

 



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