Küssen verboten?!

 

Eine Mutter küsst ihr Kind auf den Mund. Und die Welt steht Kopf.

Victoria Beckham löste jüngst mit einem Foto, auf dem sie ihre Tochter auf den Mund küsst, einen medialen Sturm aus. Erziehungsexpertin Liz Fraser meldet sich zu Wort und verrät ihre Meinung zu diesem Thema…

 

 

Mein Baby auf den Mund küssen? Völlig normal!

Das erste, was ich nach der Geburt jedes meiner drei Kinder tat, als sie mir – noch ganz warm und verschrumpelt und eingewickelt in ein Tuch in den Arm gelegt wurden – war, sie zu küssen. Ich küsste sie auf ihre zerfurchte Stirn, auf ihre weichen rosa Wangen, auf ihre nassen Köpfchen. Und ich küsste sie auf den Mund. Ja, auf den Mund! Auf ihre winzig kleinen Lippen, die kaum mehr waren als zwei rosa Linien in ihren kleinen verwirrten Gesichtern.

Ich habe sie geküsst, weil sie meine Babys waren, ich hatte sie nur einen Moment zuvor geboren und ich empfand die intensivste Verbindung, die Menschen überhaupt miteinander haben können, in diesem Moment zwischen Mutter und neugeborenem Kind. Und weil es sich wie die natürlichste und selbstverständlichste Sache der Welt anfühlte.

Küssen schädlich für Kinder?

In den 18 Jahren, die seitdem vergangen sind, habe ich nicht aufgehört, sie auf den Mund zu küssen. Und auch nicht auf die Wange, die Stirn oder den Kopf. Ich bin ihre Mutter. Wir haben ein inniges Verhältnis und gehen sehr entspannt miteinander um. Und ich finde daran rein gar nichts falsch oder unnormal.

Daher war ich doch mehr als perplex, als ich neulich von einem britischen Medium gefragt wurde, ob Eltern ihre Kinder auf den Mund küssen sollten und ob das nicht vielleicht in irgendeiner Art und Weise „schädlich“ für die Kinder sein könnte.

Was, dachte ich mir, könnte an etwas so Natürlichem, wie dem Küssen des eigenen Kindes, bloss falsch sein? Ist es nicht viel eher bedenklich, dass wir hiermit unser erwachsenes Konzept von Liebe und Sexualität mit dem Kuss einer Mutter für ihr Kind gleichsetzen?

Alle müssen sich damit wohlfühlen

Selbstverständlich ist das auch eine Frage des Alters und wie wohl sich jedes einzelne Kind fühlt, wenn es geküsst wird. Und es hängt eng damit zusammen, wie das Kind aufwächst: Wenn in der Familie viel gekuschelt und geknuddelt wird, findet das Kind sehr wahrscheinlich nichts Falsches daran, geküsst zu werden. Es würde ihm vielmehr seltsam vorkommen, wenn sich irgendjemand darüber wundert.

Manche Kinder können es auch einfach aus Prinzip nicht leiden, angefasst zu werden – vom Küssen ganz zu schweigen. Sie wollen es einfach nicht. Wie bei jedem Menschen, sollte hier Rücksicht auf die persönliche Komfortzone genommen werden und wenn ein Kind plötzlich nicht geküsst oder geknuddelt werden möchte, ist das absolut in Ordnung.

Manchmal handelt es sich dabei einfach um eine Phase. Wir müssen unseren Kindern dann einfach ein wenig Raum geben und sie zu nichts drängen. Denn dieses Drängen zu etwas, was die Person – jeden Alters – nicht möchte, ist das eigentliche Problem –  nicht das kleine Küsschen auf den Mund.

Und dann kommt natürlich irgendwann die Pubertät und die Kinder entwickeln ein eigenes Körperbewusstsein und lernen andere Formen von Intimität kennen. Oder sie werden einfach selbstbewusster und weniger empfänglich für die körperliche Zuwendung seitens Mama und Papa. Das ist dann ein guter Zeitpunkt für uns Eltern, diesen Abstand auch einzuhalten und zu respektieren, da sie jetzt keine kleinen Kinder sondern junge Erwachsene sind.

Wie ist das mit anderen Bezugspersonen?

Komplizierter wird es bei anderen Verwandten: Ein Küsschen von Mama oder Papa mag total normal sein, aber ein nasser Schmatzer von Grosstante Brigitte? Eher nicht… Am besten, sie teilen das ihren Verwandten freundlich aber bestimmt mit, bevor diese das nächste Mal zu einem Kuss-Überfall ansetzen.

Und wie steht es mit Kinderbetreuern? Wenn es okay ist, dass Eltern ihre Kinder auf den Mund küssen, wie verhält es sich dann mit jemandem, der unseren Part übernimmt, während wir z.B. bei der Arbeit sind? Ich habe zu diesem Thema mit einem Psychologen im Rahmen einer TV-Debatte diskutiert: Er war der Ansicht, dass Kinder, die gelernt haben, dass auf-den-Mund-Küssen okay ist, dies auf die Menschen in ihrem Umfeld (Kinderbetreuer, Erzieher oder gar Lehrer) übertragen würden. Das wäre dann für alle Beteiligten vermutlich sehr peinlich, doch ich kann dazu nur sagen: Das ist kompletter Schwachsinn!

Ein Kind ist durchaus in der Lage zu verstehen, dass es einen Unterschied gibt zwischen Mama und Papa und einem Babysitter oder Lehrer. Und falls sie wirklich versuchen, den Kinderbetreuer zu küssen, dann ist es nicht so schwer, sanft zu sagen: „Nein, Schatz, das dürfen nur Mama und Papa.“

Ganz im Ernst: Kindern ein schlechtes Gefühl in Bezug auf körperliche Zuneigung jeglicher Art zu vermitteln, ist unverzeihlich. Wir Eltern sollten es besser wissen. Denn es kann ihnen in ihrem späteren Leben enorme Probleme bereiten, die sie möglicherweise nie überwinden werden. Es kann ihre Fähigkeit beeinflussen, enge Beziehungen einzugehen und es ihnen erschweren, Intimität zuzulassen. Umso wichtiger ist es, wirklich zu spüren, was ein Kind möchte und was nicht und es niemals gegen seinen Willen zu etwas zu drängen.

Meine Kinder sind jetzt Teenager – und ich küsse sie immer noch hin und wieder auf den Mund. Nur ein kleines Küsschen.

Und solange es für sie in Ordnung ist, werde ich es weiterhin tun – und mich immer an diesen ersten Kuss im Kreissaal erinnern, vor all den Jahren, als unser gemeinsames Leben gerade erst anfing.





Kommentare
  1. Küssen verboten?!
    Nikolaus Stadler | Mittwoch,Juli 27.2016

    Guten Tag, also vorweg: „Einem Kind Geborgenheit geben, ist Lebenshilfe!“Zweitens: „Das Kind oder Jugendliche zeigt sehr wohl mit seinen Augen, ob es ihm/ihr dabei wohl ist.“Ich erhielt kaum Zärtlichkeit, selbst in der Ehe wird mir das verweigert! Ich leide darunter!Ich habe ein Waisenhaus in Africa gegründet und begrüsste jedes Kind (sie waren zwischen 5 und 10) mit einem Kuss auf die Stirn. Ich lege den Kindern, heute 17, den Arm um und sie geniessen diese Wärme und väterliche Liebe! Sie hatten nie Liebe und nie Geborgenheit erlebt. Nun konnten sie in diesen 7 Jahren gesunden und lachen viel. Glückliche Kinder zu sehen entschädigen mich für alle Opfer und Mühsale.Ja, gerne würde ich meine vier Kinder, meine 10 Grosskinder, meine 25 Waisenkinder auch auf die Lippen küssen – weil ich mich intensiv mit ihnen verbunden fühle und ich ihnen Liebe und Geborgenheit schenken möchte – DOCH LEIDER IST ES VERBOTEN. Dabei ist es auch für Jugendliche wunderbar, zu Hause sich geborgen zu wissen.Ein anderer Fall scheint mir zu sein, wenn Lehrer, Tante oder Onkel ein Kind auf die Lippen küsst, nicht aber für Eltern und Grosseltern.

  2. Küssen verboten?!
    Markus Sütterlin | Mittwoch,Juli 27.2016

    Man sollte den Leuten welche sich daran empören wenn eine Mutter Ihr Kind auf den Mund küsst die Frage stellen, * wo kommt dies her.Nun wenn man dies sehr gläubigen Menschen erklären will, * schade für die Zeit. Doch bei Weltoffenen Menschen braucht es nur einen Blick in die Tierwelt, und siehe da, jede Tiermama füttert Ihr Junges von Mund zu Mund.Und genau so funktionierte dies auch bei unseren frühen Vorfahren.Also 1+1=2 oder das Küssen der Mutter auf den Mund d. Kindes, stammt vom Fütterungsakt * Mutter – Kind * ab.

  3. Küssen verboten?!
    nina | Mittwoch,Juli 27.2016

    Na ja ich habe hier eine andere Meinung. Ich arbeite in einer Kita und erlebe oft wie Kinder sehr Übergriffig zu einem Kuss auf den Mund gezwungen werden. Dabei frage ich mich halt worum es dabei geht, ich finde es nicht fair bei Kinder auf diese Weise Nähe oder Liebe zu bekommen. Kinder können sich oftmals nicht wehren und lassen solche Dinge halt über sich ergehen..

  4. Küssen verboten?!
    Werner | Donnerstag,Juli 28.2016

    Das gehört leider alles zum Plan! Genau, wie die Emanzipation die von Rothschild ins Rollen gebracht wurde, um die Familie zu trennen. Die Frühsexualisierung ist doch genau das gegenteil, von dem Mumpiz der einem hier erzählt wird. Küssen verboten, aber Sex im Kindesalter erlaubt!?Man sollte den gesunden Menschenverstand einsetzen und immer schauen, von wem so etwas kommt!In einer Welt, wo die Familie den Zusammenhalt verliert, was ja immer offensichtlicher ist, werden die Menschenimmer leichter Manipulierbar und sind anfälliger für scheinbar einfache Lösungen.Schon an der EU sieht man den Irrsinn, das nicht alles zentral geregelt werden kann, sondern in kleinen Gemeinschaften. Den Fernseher ausschalten und dann liest man so einen Blödsinn nicht mehr, ist nur die halbe Miete wie hier zu erkennen ist!Wer sich manche sog. Science Fiction Filme anschaut, wo es verboten ist sich zu berühren oder gar zu küssen, sieht wohin so was führen kann. Asien ist ein gutes Beispiel, da ist es in der Öffentlichleit auch nicht gern gesehen das Zärtlichkeiten ausgetauscht werden und die Menschen dort sind gefügiger und (scheinbar?) gefühlskalt!

  5. Küssen verboten?!
    Fabienne Studer | Donnerstag,Juli 28.2016

    Dass solch eine Selbstverständlichkeit, welche jeden Tag auf der Welt wohl zig tausendmal vorkommt, derart Aufsehen erregen kann, zeigt mir nur: der Tiefpunkt der menschlichen Blödheit ist noch nicht erreicht.

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