Wenn die Eltern zu Grosseltern werden

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Mit der Geburt eines Kindes verschieben sich auch die Gewichte innerhalb der ganzen Familie: So wie wir zu Eltern werden, ändert sich auch die Rolle unserer eigenen Eltern: Hallo Oma, hallo Opa! Und das ist grossartig! Immer? Naja, mit Einschränkungen schon…

 

 

 

„So richtig geniessen kann man erst seine Enkel“

In diesem Statement steckt viel Wahrheit. Das habe ich spätestens erkannt, seitdem ich selbst Mutter geworden bin. Und die Verantwortung für einen kleinen Menschen trage. Von den mittlerweile glücklicherweise nur noch seltenen durchwachten Nächten mal ganz abgesehen: Kinder zu haben, ist wunderschön, aber eben auch eine grosse Herausforderung! Für unsere Eltern bedeutet das, dass sie nun das Aufwachsen eines Kindes noch einmal aus einer anderen Perspektive miterleben dürfen: Der Perspektive der Grosseltern!

Grosseltern sind in vielerlei Hinsicht eine grosse Bereicherung für das Familienleben

Grosseltern haben mehr Zeit. Weil Oma und Opa meist weniger Verpflichtungen haben als wir Eltern, können sie sich voll und ganz auf die Kleinen einlassen. Und weil sie sich eben gerade nicht um die lästigen Alltagsdinge kümmern müssen, sind sie häufig grosszügiger und toleranter – die Erziehungsverantwortung liegt schliesslich bei uns Eltern.

 

Grosseltern können Dinge vermitteln, die in Vergessenheit geraten. Nichts findet mein Sohn so spannend wie mit seinem Opa (er ist Biologe) durch den Wald zu streifen: So geduldig lauscht er den langwierigen Ausführungen zu Fauna und Flora, dass ich mich frage, ob das überhaupt mein Sohn ist!

 

Grosseltern sind gelassener. Sie haben mit ihren eigenen Kindern all das schon erlebt, womit wir heute zu kämpfen haben – von Kinderkrankheiten über die Trotzphase, den erste Schultag bis hin zur Pubertät.

 

Grosseltern sind oft grosszügiger. Bei Oma und Opa dürfen die Kleinen länger aufbleiben, mehr Süssigkeiten essen, und auch beim Fernsehkonsum drücken die Grosseltern gerne mal beide Augen zu.

 

Grosseltern werden von Ihren Enkeln geliebt. Und natürlich umgekehrt. Es ist einfach herzzerreissend, zu beobachten, wie sehr sich mein Sohn und seine Omi bei jedem Besuch aufeinander freuen – und wie meine Mutter sich jedes Mal beim Abschied verstohlen die Tränen aus den Augenwinkeln wischt.

Aber es gibt auch Konfliktpotenzial

Ganz klar: Die kleinen Auszeiten vom Alltag und die besondere Aufmerksamkeit, die meinem Sohn bei seinen Grosseltern zuteil wird, tun ihm gewiss gut- Nur, und jetzt kommt das ABER, möchte ich, dass gleichzeitig klar ist, dass wir als Eltern nun die Verantwortung für unser Kind tragen – was bedeutet, dass die grundlegende erzieherische Marschroute auch von uns vorgegeben wird.

 

Und ausserdem: Natürlich hat eine Grossmutter, die bereits eigene Kinder grossgezogen hat, viel Erfahrung in Sachen Babypflege und Erziehung. Aber erstens ist das lange her und stimmt häufig gar nicht mehr mit den heute gängigen Methoden überein und zweitens wollen wir ja auch unsere eigenen Erfahrungen machen!

 

Ich kann gut verstehen, dass es für meine Mutter schwer ist, ihre eigene Tochter nun selbst als Mutter zu sehen und dass das, was ich womöglich als „nervige Einmischung“ empfinde, Ausdruck Ihrer Liebe zu mir und ihrem Enkel sind. Gleichwohl denke ich, dass meine Eltern lernen müssen, dass sich mit der Geburt meines Sohnes auch die Gewichte innerhalb der Familie verschoben haben.

 

Damit die Trias Grosseltern-Eltern-Enkel also zur allgemeinen Zufriedenheit funktioniert, ist es ratsam, offen über diese Dinge zu sprechen, verbindliche Absprachen zu treffen und eventuell sogar ein kleines gutgemeintes „Regelwerk“ zu erstellen, dass Sie Ihren Eltern beim nächsten Mal augenzwinkernd in die Hand drücken können.

So in etwa könnte eine solche Leitlinie aussehen:

Liebe Mama,

 

ich bin Dir wirklich sehr dankbar, dass Du auf Deinen Enkel aufpasst, während wir uns das lange ersehnte verlängerte Wochenende zu zweit gönnen! Ich weiss, er hat sich seit dem letzten Mal schon wieder so wahnsinnig verändert. Aber auch einige Regeln haben sich seit dem letzten Mal, als Du auf ihn aufgepasst hast, geändert. Ich dachte, am besten notiere ich sie für Dich, damit Du sie immer schnell zur Hand hast:

  • Dein Enkel braucht immer noch einen Kindersitz im Auto. Auch wenn Ihr das früher nicht so eng gesehen habt! Und nein, ich bin keine Helikopter-Mutter. Das ist eine Vorschrift!
  • Vierjährige müssen nicht mehr den ganzen Tag im Buggy herum geschoben oder auf dem Arm getragen werden. Auch wenn mein Sohn noch so eindringlich darauf besteht. Bitte sei konsequent! Das schont auch Deinen Rücken.
  • Dein Enkel trinkt immer noch eine Nuckelflasche mit Milch vor dem Einschlafen. Ja, ich weiss, dass das nicht gut für die Zähne ist. Nein, ich glaube nicht, dass, ihn etwas belastet und nein, wir streiten nicht in seiner Gegenwart! Bitte versuche nicht, ihn in dieser Woche zu therapieren!
  • Nein, Fast Food ist nicht gesünder geworden. Die Bio-Apfelschorle im Kinder-Menü ändert auch nichts an dieser Tatsache! Und nur, weil es einen Kinderspielbereich gibt, heisst das nicht, dass ihr jeden Tag dahin gehen müsst.
  • Wir freuen uns, dass die Teller bei Dir immer leer sind. Dass Dein Enkel bei Dir immer brav aufisst und geduldig auf seinem Platz sitzen bleibt, hat jedoch nicht nur mit Deinen exzellenten Koch- und Erziehungskünsten zu tun, sondern vielmehr damit, dass Du eben seine Oma bist und wir seine Eltern – mit Dauer-Abonnement auf das „Nein, meine Suppe ess‘ ich nicht -Spektakel“.
  • Am Samstag habe ich für ein paar Stunden unsere Babysitterin bestellt. Sei bitte keine Märtyrerin und schicke sie wieder nach Hause wie beim letzten Mal! Unser Sohn steht täglich morgens um sechs bei Dir auf der Matte bzw. auf dem Bettvorleger! Glaub, mir, Du wirst die Erholung nötig haben!

 

Tausend Dank schon mal für Deine Hilfe! Im Notfall kannst Du uns natürlich jederzeit mit deinem neuen Handy anrufen – vorausgesetzt, das doofe Teil macht endlich mal, was Du willst!

 

In Liebe, Deine Tochter

 

PS: Und könntest Du mir vielleicht das Rezept für die weltbesten Rouladen à la Mamma hier lassen (oder sie direkt zubereiten und zur Begrüssung für uns im Kühlschrank hinterlassen)? Mir läuft schon beim blossen Gedanken daran das Wasser im Mund zusammen!

 

Und wie ist das bei Ihnen? Wie haben sich die Rollen innerhalb Ihrer Familie verteilt? Schreiben Sie uns doch von Ihren Erfahrungen. Wir freuen uns auf Ihre Kommentare!



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